Der 1. Schultag für Kinder mit Autismus-Diagnose: Ein mutiger Start
Der 1. Schultag ist für viele Eltern und Kinder ein aufregendes Erlebnis. Ein Schritt in eine neue Lebensphase beginnt und viele Veränderungen stehen an. Neben der freudigen Erwartung können diese Veränderungen aber auch Ängste auslösen – eine ganz normale Reaktion. Wenn wir diese Ängste annehmen, können sie uns sogar helfen, uns besonders gut auf neue Situationen vorzubereiten.
Besondere Herausforderungen bei Autismus
Für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Diagnose (mehr dazu in meinem Beitrag Von der Diagnose zur passenden Hilfe) ist der erste Schultag oft besonders aufregend. Auch die Eltern sind häufig verunsichert. Schon bei der Schulwahl wurde klar, dass hier besondere Achtsamkeit gefragt ist, da es keine „perfekte“ Schule für Kinder mit Autismus gibt. Jetzt stellen sich Fragen: Habe ich die richtige Wahl getroffen? Wie wird mein Kind mit dieser neuen Situation umgehen? Denn viele Kinder mit Autismus bevorzugen vertraute Routinen, meiden Veränderungen und haben generell oft Schwierigkeiten mit Übergangssituationen.
Doch mit der richtigen Vorbereitung können wir den 1. Schultag gemeinsam zuversichtlich und mutig angehen. Hier sind fünf wichtige Punkte, die Ihnen dabei helfen:
1. Umfassende Vorbereitung ist der Schlüssel
Für viele Kinder ist es hilfreich, schon im Vorfeld zu wissen, was sie erwartet. Informieren Sie sich als Eltern über den Ablauf des 1. Schultages und planen Sie diesen detailliert. Sammeln Sie alle Informationen und besprechen Sie mit Ihrem Kind, was auf es zukommt.
Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Diagnose können besonders gut mit visualisierten Plänen und Abläufen umgehen. Kostenlose Ideen und Vorlagen zum Erstellen von sozialen Geschichten finden Sie auf der Seite Autismushelfer. Beispiele für symbolbasierte Abläufe und Pläne gibt es unter UK Couch.
Wichtig: Integrieren Sie immer ein Symbol für „Planänderung“ und besprechen Sie auch dies mit Ihrem Kind. Es sollte verstehen, dass Pläne zur Orientierung dienen, aber manchmal flexibel angepasst werden müssen. Ergänzend kann ein passendes Bilderbuch über die Schule helfen. Achten Sie bei der Auswahl auf eine klare Sprache und Bilder, die nicht zu sehr vom Inhalt ablenken.
2. Offener Austausch mit der Lehrkraft
Es ist meist sinnvoll, schon im Vorfeld den Kontakt zu den Lehrkräften aufzunehmen und diesen während der Schulzeit zu pflegen. Viele Eltern haben jedoch Angst vor einer Stigmatisierung ihres Kindes. Fragen Sie sich: Welche besonderen Bedürfnisse hat mein Kind, und wie wichtig ist es, dass diese in der Schule berücksichtigt werden?
Bedenken Sie, dass sowohl Sie als Eltern als auch die Lehrkräfte in der Regel Transparenz im Umgang wünschen. Manche Lehrkräfte fühlen sich beim Thema Autismus noch unsicher. Sie werden dankbar sein, wenn sie im Vorfeld Informationen erhalten, die ihr Wissen erweitern. Gute Informationsmaterialien für Lehrkräfte bietet beispielsweise der Verband Autismus Deutschland hier zum Download.
3. Vertraute Gegenstände als Anker
Erlauben Sie Ihrem Kind, einen vertrauten Gegenstand mit in die Schule zu nehmen. Dieser Gegenstand kann in der neuen Umgebung Sicherheit spenden und eine Verbindung zur vertrauten Welt herstellen. Dies kann ein kleines Lieblingsspielzeug sein, eine Kuscheldecke oder ein Kuscheltier. Manche Kinder haben auch laminierte Fotos von wichtigen Personen oder Dingen in ihrem Mäppchen.
Achten Sie darauf, dass der Gegenstand nicht zu sehr vom Unterricht ablenkt oder andere Schüler*innen stört. Informieren Sie die Lehrkraft im Vorfeld über die Bedeutung des Gegenstands für Ihr Kind und dessen Zweck.
4. Erfolgserlebnisse ermöglichen
Planen Sie den 1. Schultag so, dass Ihr Kind Erfolgserlebnisse sammeln kann. Hier gilt das Motto „weniger ist mehr“. Die ersten Schulstunden werden für Ihr Kind sehr aufregend sein. Überlegen Sie, ob es danach nicht etwas ruhiger zugehen darf.
Braucht Ihr Kind vielleicht eine Pause? Sollten Sie weniger oder sogar keine Gäste einplanen? Kann das Freizeitprogramm in den ersten Schulwochen generell angepasst werden? Ihr Kind benötigt Zeit, um die vielen neuen Eindrücke zu verarbeiten. Jede gemeisterte neue Situation wird jedoch das Selbstvertrauen für den nächsten Schritt stärken.
5. Rückzugsmöglichkeiten schaffen
Sollte es Ihrem Kind trotz aller Vorbereitungen zu viel werden, stellen Sie sicher, dass es einen Ort hat, an dem es sich zurückziehen und zur Ruhe kommen kann. Manche Kinder möchten allein in ihr Zimmer oder sich in eine kuschelige Ecke zurückziehen. Andere brauchen Bewegung und möchten schaukeln oder Trampolin springen.
Diese Bedürfnisse lassen sich im häuslichen Umfeld einfacher umsetzen als in der Schule, wo oft die Aufsichtspflicht ein Problem darstellt. Wenn Sie befürchten, dass Ihr Kind regelmäßig Rückzug und viele Routinen benötigt, denken Sie über die Unterstützung durch eine Integrationsfachkraft (Schulbegleitung) nach. Diese kann Ihr Kind durch den Schulalltag begleiten und individuell unterstützen. Informationen zum Download erhalten Sie auf der Seite von Autismus.de.
Vertrauen Sie auf Ihre Stärken
Diagnose aus dem Autismusspektrum – Rat einholen im persönlichen Gespräch
Wenn Sie sich bei diesem wichtigen Schritt professionelle Unterstützung wünschen, können spezialisierte systemische Berater*innen wie im Beratungsraum Brühl Sie und Ihr Kind individuell begleiten und stärken. Es gibt viele Wege, einen guten Start in die Schule zu ermöglichen – finden Sie den, der am besten zu Ihnen passt. Bei Fragen dazu sprechen Sie mich gerne an! Ihre Andrea Philipp-Vetter.